Physiknobelpreis 1945: Wolfgang Pauli

Physiknobelpreis 1945: Wolfgang Pauli
Physiknobelpreis 1945: Wolfgang Pauli
 
Der österreichische Physiker erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung desals »Pauli-Prinzip« bezeichneten Ausschließungsprinzips.
 
 
Wolfgang Ernst Friedrich Pauli, * Wien 25. 4. 1900, ✝ Zürich 15. 12. 1958; 1926 außerordentlicher Professor an der Universität Hamburg, 1928 ordentlicher Professor an der ETH in Zürich, 1940-46 in Princeton, danach wieder in Zürich; wichtige Arbeiten zur Quantenmechanik und Quantenelektrodynamik, Neutrinovorhersage, Entdecker des Ausschließungsprinzips (Pauli-Prinzip).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Eines der wichtigsten Prinzipien der Quantenphysik besagt, dass zwei Elektronen — oder allgemeiner Fermionen, also Teilchen mit halbzahligem Spin — sich niemals im selben Zustand befinden können. Dieses Ausschließungsprinzip, nach seinem Entdecker auch Pauli-Prinzip (oder Pauli-Verbot) genannt, diente in entscheidender Weise zum Verständnis spektroskopischer Daten in der Physik der Atomhülle und fand fruchtbare Anwendung in der Kernphysik sowie in der allgemeinen Erforschung von Systemen aus mehreren Fermionen (sogar bei Neutronensternen). Der Begründer des Prinzips, Wolfgang Pauli, gilt als eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Physik des 20. Jahrhunderts.
 
Pauli zeigte schon sehr früh die Begabung eines mathematischen Wunderkinds. Sein Vater, Professor der Medizin in Wien, hatte den Physiker und Philosophen Ernst Mach als Taufpaten bestimmt. Wegen dessen positivistischer Grundhaltung bezeichnete sich Pauli später als von »antimetaphysischer Herkunft«. 1918 schrieb er sich zum Physikstudium bei Arnold Sommerfeld in München ein, der bereits im dritten Semester seinem Musterschüler Pauli eine verantwortungsvolle Aufgabe übertrug: die Abfassung eines groß angelegten Überblicksartikels zur allgemeinen Relativitätstheorie. Diese Arbeit, die Pauli im Alter von erst 21 Jahren vorlegte, begründete seinen Ruhm. Die Fachwelt, allen voran Albert Einstein (Nobelpreis 1921), zollte ihm großes Lob.
 
 Pauli-Prinzip und Teilchenphysik
 
Noch im selben Jahr, 1921, legte Pauli seine Doktorprüfung mit einer Arbeit zum Wasserstoffmolekülion ab. In dieser Arbeit zeigten sich die Grenzen des Bohr-Sommerfeld'schen Atommodells bei der Behandlung schwerer Atome. Sie war mithin ein Vorbote des vier Jahre später von Pauli ersonnenen Ausschließungsprinzips.
 
Anfang der 1920er-Jahre wusste man, dass die Elektronen eines Atoms in einer schalenförmigen Konfiguration um dessen Kern angeordnet sind. Unklar war aber, warum die Edelgaskonfigurationen so besonders stabil sind. Weshalb befanden sich im Grundzustand nicht alle Elektronen im energetisch niedrigsten Niveau, wie man es nach klassischer Auffassung erwarten würde? Das Bohr'sche Modell konnte diese Tatsache ebenso wenig erklären wie die magnetische Spektrallinienaufspaltung (anomaler Zeeman-Effekt). Denn zunächst hatte man mit zwei, später mit drei Quantenzahlen gearbeitet, die alle durch korrespondierende klassische Größen motiviert waren. Pauli entdeckte nun aber, dass man die Probleme lösen konnte, wenn man eine vierte Quantenzahl einführte, die dem Elektron zuzuordnen sei. Durch sein »Verbot äquivalenter Elektronen«, also die Forderung, dass keine zwei Elektronen in allen Quantenzahlen gleich sind, ließ sich so die Ordnung der spektralen Termschemata verstehen.
 
Mit dieser 1925 publizierten Ausschließungsregel war die Entdeckung einer bis dahin unbekannten, »klassisch nicht beschreibbaren Zweiwertigkeit« impliziert, die sich wenig später als Elektronenspin herausstellte. Ebenso zeigte sich, dass dem Ausschließungsprinzip eine bizarre Eigenschaft von Quantenobjekten zugrunde liegt: Denn Elektronen gehören als Fermionen in eine Symmetrieklasse ununterscheidbarer Teilchen, deren Vertauschung lediglich zu einem Vorzeichenwechsel führt — während Bosonen, Teilchen mit ganzzahligem Spin, demgegenüber völlig symmetrisch sind. 1927 gelang es Pauli, den Spin mithilfe zweidimensionaler Matrizen, die heute seinen Namen tragen, in den quantentheoretischen Formalismus einzuführen. Ende der 1930er-Jahre konnte er den tief liegenden Zusammenhang zwischen Teilchenspin und Statistik klären.
 
1945 wurde Pauli für sein Ausschließungsprinzip mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Weitere, ebenso bedeutende Leistungen Paulis dürfen jedoch nicht unerwähnt bleiben: So diente die von ihm 1930 vorausgesagte Existenz eines neuen Teilchens, des Neutrinos, als Vorarbeit, an die sich Enrico Fermis (Nobelpreis 1938) Theorie des Betazerfalls anschloss. Erst 1956 gelang der experimentelle Nachweis. Zudem leistete Pauli wichtige Beiträge zur Begründung der Quantenelektrodynamik.
 
 Das »Gewissen der Physik«
 
Wolfgang Pauli war in vielerlei Hinsicht ein Unikat. Unter den Physikern erwarb er sich schon früh den Ruf eines schonungslosen Kritikers, der auch vor älteren und renommierten Kollegen, wenn es ihm nötig erschien, nicht zurückschreckte. Mit der Zeit wurde er zu einer Art Kontrollinstanz, dem »Gewissen der Physik«. Aber natürlich machte auch Pauli Fehler. Die Verletzung der Paritätsinvarianz — 1956 theoretisch vorhergesagt und 1957 experimentell bestätigt — schockierte ihn.
 
Paulis Kritik, um die sich unzählige Anektoden ranken, war mitunter schroff und beißend. Viktor Weisskopf kam 1932 anstelle von Hans Bethe (Nobelpreis 1967), mit dem sich Pauli nicht auf das Forschungsthema einigen konnte, als Assistent zu Pauli. Als sich Pauli jedoch nach zwei Wochen nach dem ersten Stand der Dinge erkundigte, überflog er Weisskopfs Rechnungen und meinte lapidar: »Ich hätte doch den Bethe nehmen sollen.« Weisskopf und viele andere versichern aber, dass dies einfach Paulis direkt-ehrliche Art war.
 
Besonders stolz war Pauli auf die ihm nachgesagte Eigenschaft, einen unerklärlichen, geradezu magischen Einfluss auf das Scheitern von Experimenten zu haben: Der scherzhaft bezeichnete »Pauli-Effekt« (auch »Zweites Ausschließungsprinzip«) mache es unmöglich, dass sich Pauli und ein funktionierendes Gerät in einem Raum befinden. Einer der spektakulärsten »Beweise« dieses Effekts ereignete sich im Göttinger Labor des Physikers James Franck (Nobelpreis 1925). Denn gerade als es dort zu einer Explosion kam, fuhr Pauli mit dem Zug durch Göttingen.
 
Pauli hatte eine Neigung zum Mystisch-Symbolischen und Irrationalen. Die Kabbala interessierte ihn. Zudem befand er sich selbst zeitweise in psychoanalytischer Behandlung bei Carl Gustav Jung. Hieraus erwuchs eine Bekanntschaft, aus der auch gemeinsame Publikationen hervorgingen. Paulis Traumanalysen hingen häufig mit mathematischer Symbolik in der Physik zusammen, wie etwa mit der Sommerfeld'schen Feinstrukturkonstanten, die die Kopplungsstärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt und deren reziproker Wert ungefähr 137 beträgt — eine Zahl, die kurioserweise auch in der Kabbala von Bedeutung ist.
 
Anfang Dezember 1958 hatte Pauli während einer Vorlesung eine Herzattacke und wurde tags darauf ins Züricher Rotkreuzspital eingeliefert. Hier starb er am 15. Dezember. Die Nummer seines dortigen Zimmers lautete 137.
 
H. Lyre

Universal-Lexikon. 2012.

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